Wenn man sich unter Architekten, Bauträgern, Investoren und Bauherren nach wesentlichen Bauentwicklungen umhört, dann fällt das Thema nachhaltigen Bauens zumeist gleich in einem der ersten Sätze. Das liegt natürlich nicht nur an der zunehmenden Dynamik für ökologische und klimatische Belange, die seit einigen Jahren omnipräsent unseren Alltag prägen. Ursächlich spielt auch das neue GebäudeEnergieGesetz (GEG) eine Rolle. Eine auf die EU-Richtlinien ausgelegte Regelung, die Energieeinspargesetz und -verordnung sowie das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz zusammenführen will. Hintergrund des neuen Gesetzes liegt in der Forderung der EU, ab dem Jahr 2021 nur noch ausschließlich Niedrigstenergiehäuser zu bauen. Was das genau heißt, zeigt sich in der Definition eines Niedrigenergie- beziehungsweise eines Passivhauses. Demnach zeichnet sich ein jedes dieser Häuser durch einen geringen Energieverbrauch aus. Das klingt zunächst einmal äußerst profan und wenig konkret. Doch wenn man sich die dahinterliegenden Maßnahmen genauer anschaut, offenbart sich eine hohe Komplexität. Etwa hinsichtlich des Einsatzes spezieller Dämmstoffe und Materialien, einer Dreifachverglasung oder eingesetzter regenerativer Energiequellen wie Photovoltaik. Deutschland will so bis zum Jahr 2030 den jährlichen Kohlendioxid-Ausstoß im Gebäudesektor auf 72 Millionen Tonnen senken. Aktuell liegt dieser Wert noch bei 117 Millionen Tonnen. Der Begriff des Energieeffizienzhauses stammt im Übrigen aus der Feder der Kreditanstalt für Wiederaufbau, bekannt als Kürzel KfW.
Vereinzelt sieht man immer mehr solcher Gebäudekategorien, aber noch nie gab es bisher ein Siedlungsprojekt. Das änderte sich nun mit Deutschlands erster Effizienzhaus-Plus-Siedlung in Hügelshart-Friedberg bei Augsburg. Das Bauvorhaben wurde nach den Kriterien des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Bau für Effizienzhaus-Plus-Häuser erstellt. Insgesamt 13 Wohngebäude, verteilt auf neun Einfamilienhäuser und vier Doppelhaushälften gelten damit in hohem Maße als energieeffizient und avancieren zum Leuchtturmprojekt ökologisch werthaltiger Wohngebiete. Allein durch eine monolithische Außenwandkonstruktion aus Ziegelsteinen mit hochwärmedämmendem Kern sowie einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung erreichen die Hauser eine ausgesprochen hohe Energieeffizienz.
Im Fokus liegt darüber hinaus eine dezentrale Energieversorgung. Will heißen, jedes Haus produziert ausreichend Energie, um eine autarke Lebensweise der Bewohner zu gewährleisten. Das wäre zumindest der gewünschte Idealfall. Inzwischen zeigt sich knapp drei Jahre nach Inbetriebnahme der Häuser, dass die Energieunabhängigkeit etwa 70 Prozent erreicht. Die fehlenden 30 Prozent begründet der Bauherr, die Asset Bauen Wohnen GmbH, mit den zu wenigen Sonnenstunden im Jahr.
Denn der Löwenanteil der Energiegewinnung generiert eine Photovoltaik-Anlage auf den nach Süden ausgerichteten Hausdächern. Gespeichert wird diese Energie in einer Lithium-Ionen-Batterie und - in Wärme umgewandelt - in einem thermischen Wasserspeicher. Die Steuerung des Energiehaushaltes und die dafür eingesetzten Komponenten übernimmt ein automatisches Monitoring-System. Das stellt gleichzeitig die optimale Verteilung und Nutzung des Stromertrages sicher. Etwa wenn es darum geht, überschüssigen Strom ins hauseigene Netz einzuspeisen und beispielsweise zum Laden eines Elektroautos zu verwenden.
Wohngesundes Bauen
Aufgrund der inkonstanten Sonneneinstrahlung und die damit einhergehenden schwankenden Energieumsätze, bedurfte es eines zusätzlichen Systems zur Wärmeerzeugung.
Gelöst wurde dies mit einer Kombination aus Heizkreispuffer- und Batteriespeicher. Ihre Aufgabe liegt darin, überschüssige Energie zu bevorraten und der Heizungsanlage bedarfsgerecht zuzuführen. Was das Projekt jedoch so besonders macht, ist nicht nur die optimale Nutzung und Erzeugung von Energie. Einen wichtigen Stellenwert erhielt auch die Auflage, die Wohnhäuser nach den Kriterien der Wohngesundheit zu bauen. Das bedeutet zum einen, dass die Innenraumluft in einem Gebäude wissenschaftlich anerkannte Grenzwerte für eine Vielzahl von Schadstoffgruppen und Einzelschadstoffen nicht überschreiten darf. Eine erhöhte Schadstoffkonzentration entsteht beispielsweise bei zu dicht gedämmten Gebäudehüllen, die die Reduzierung des natürlichen Luftaustausches verantworten. Wohngesundheit beinhaltet ebenso Kriterien des Schall- und Hitzeschutzes oder die Beachtung ausreichender Lichtverhältnisse. Von Belang sind zudem eine niedrige Kohlendioxid-Konzentration und die Gestaltung des Raumgefüges. Zu ermitteln, ob sich die Messwerte im vorgeschriebenen Rahmen bewegen, untersuchte Güttinger Ingenieure - ein unabhängiges Büro für Versorgungstechnik und Umweltchemie. Geschäftsführerin Stefanie Güttinger kontrollierte die Friedberg-Siedlung nach deren Fertigstellung auf Raumluftqualität. Sie ist das ausschlaggebende Merkmal für gesundes Wohnen. In einem Interview gegenüber dem Sender münchen.tv erklärte die Diplom-Ingenieurin: "Wir atmen täglich tausende Liter Luft ein. Enthält diese zu viele Schadstoffe, drückt sich das symptomatisch unter anderem in Form von Kopfschmerzen, Kreislaufstörungen, Allergien und geröteten Augen aus. Wir können mit unseren Messungen herausfinden, welche Schadstoffe das sind, denn wir erhalten Werte von bis zu 180 Substanzen."
Anhand der Messergebnisse gibt das Ingenieurbüro Empfehlungen über die weiteren baulichen Maßnahmen ab. Im Fall der Wohnhäuser in Friedberg wurde das Büro von Anfang an in die Auswahl emissionsarmer Materialien und Baustoffe involviert. Es überrascht daher nicht, dass abschließende Untersuchungsergebnisse einwandfreie Schadstoffwerte ergaben und somit das Zertifikat für wohngesundes Bauen für alle dreizehn Häuser ausgegeben werden konnte.
(Webimmobilien | März 2020 | sz.de/neubau, KKE)